Der Antivirenmarkt konsolidiert sich, es erfolgt also eine Zusammenlegung von Anbietern und deren Produkten. Das ist zumindest aufseiten der Windows-Plattform zu beobachten. Im Smartphone-Segment ist es eher andersherum, hier sprießen hin und wieder neue Android-Antivirus-Apps aus dem Boden. Ob sie gut schützen, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls hat NortonLifeLock (ehemals Symantec, bekannt für Sicherheitsprodukte wie Norton 360) es wieder getan: Der US-Konzern hat einen Mitbewerber gekauft. Jüngst war der tschechische Anbieter Avast an der Reihe, sich womöglich demnächst in die Palette der NortonLifeLock-zugehörigen Produkte einzureihen. Vorausgesetzt, dass unter anderem die Börsenaufsicht dem Deal noch zustimmt.

Was bisher geschah: Avast übernimmt AVG

Der tschechische Antiviren-Anbieter Avast ist kein No-Name-Sicherheitsanbieter, der eine fremde Engine einkauft – so wie es einige Konkurrenten tun, die meist eine Bitdefender-Technik lizenzieren. Vielmehr hat Avast eine eigene Engine am Start (siehe auch den Artikel "Antiviren-Engine-Ratgeber: Welcher Antivirus basiert auf welchem Produkt?"). Zum Erkennungsmotor für Schadprogramme aus eigenem Hause kommt hinzu, dass Avast im Jahr 2016 den ebenfalls tschechischen Konkurrenten AVG (Anti-Virus Grisoft) übernahm. In zahlreichen Tests sind die Erkennungsraten von Avast und AVG identisch oder nahezu gleichauf. Kein Wunder, stecken doch die gleichen klugen Köpfe dahinter. Die Gratis-Lösungen Avast Free Antivirus und AVG AntiVirus Free sind sich sehr ähnlich. Die Funktionen und Menüpunkte gleichen sich, wobei Avast beliebter ist: In unserem Download-Bereich führt Avast mit mehr als 13 Millionen Downloads gegenüber knapp unter 500.000 Downloads aufseiten von AVG.
Doch es wäre verfehlt, AVG als billigen Abklatsch abzustempeln: So hat das Grisoft-Tool im Gegensatz zu Avast Free einen Schredder zum Löschen sensibler Festplatten-Dateien eingebaut. Das greifen wir im Artikel "Schredder in Antiviren-Software: Mit diesen AV-Tools löschen Sie Files porentief" auf. Der Vorteil ist marginal und für SSD-Nutzerinnen und -Nutzer mäßig relevant, sind Schredder hier doch nicht mehr imstande, gezielt Speicherbereiche mit zu löschenden Files anzusteuern. Wer aber neben einer SSD noch eine Festplatte verbaut hat oder HDD-only-User ist, nimmt die Schredder-Komponente sicherlich gern mit.
Antivirus: Avast Free Antivirus
Gratis-Sicherheitsprogramme in der Übersicht

AVG übernimmt TuneUp Utilities und stülpt Abomodell drüber

AVG kaufte das Darmstädter Unternehmen TuneUp Software, das hinter der früher beliebtesten PC-Tuning-Software TuneUp Utilities steckt, Ende 2011. Später gab es Mitarbeiter-Entlassungen und man führte die TuneUp Utilities nicht mehr fort. Die TuneUp Utilities 2014 waren die letzte Version des Klassikers – mit AVG-Branding in der Oberfläche ("from AVG"). Mit AVG PC TuneUp 2015 kam eine Neuauflage mit modifiziertem Namen. Einige Zeit darauf erfolgte eine nochmalige Umbenennung hin zu AVG TuneUp – und eine Forcierung zu einem Abo-Modell. Neben AVG TuneUp gibt es aktuell auch Avast Cleanup. Das AVG- wie das Avast-Produkt erfordern ein kostenpflichtiges Jahresabo. Funktional sind die Produkte im Vergleich zum Ex-Platzhirsch TuneUp Utilities ausgedünnt. Ex-TuneUp-Entwickler haben derweil mit den Mytuning Utilities ein neues Optimierungsprodukt hervorgebracht, knüpfen damit aber nicht an die alte Verbreitung und Erfolge an. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist dennoch besser als beim PC Speed Maximizer, der in unserem Test durchfiel.

Avast übernimmt Piriform (CCleaner)

Avast verkündete im Juli 2017 in einem Blog-Post, dass es sich Piriform, den Anbieter des System-Reinigers CCleaner, einverleibt habe. Den CCleaner halte ich noch immer für ein gutes Tuning-Tool, das jedoch seit der Akquise in einige Skandale verwickelt war: Adware-Spionage (Version 5.45, ein nachgeschobenes Update behob das Problem) und Malware (im September 2017, Version 5.33.6162) im Windows-32-Bit-Installer waren die größten Kritikpunkte.
Ich störe mich auch an Werbefenstern, die der CCleaner etwa anlässlich des Black Fridays öffnet – und zwar nicht im Browser, sondern als Dialog (!) unter Windows. Darüber hinaus bin ich kein großer Freund des "Health Check", der die normale Bereinigung ersetzte. Der neu eingeführte "Driver Updater" im CCleaner wirkt wie Gewinnankurbeln: Er sucht nach verfügbaren neueren Treibern, aktualisiert sie aber nur, wenn der Nutzer zahlt. Nach wie vor ist der CCleaner eine Instanz auf dem Tuning-Markt und hier eine Referenz. Ich würde ihn aber nicht mehr jedem vorbehaltlos empfehlen. Wobei ein paar Pop-ups normal sind, siehe IObit-Software, die User damit per Windows-Aufgabenplanung ebenfalls "beglückt".
CCleaner und CCEnhancer: Datenmüll aller Art löschen
Mehr Tempo: Die besten Tuning-Tools

Avira übernimmt BullGuard und NortonLifeLock übernimmt Avira

Der Antiviren-Anbieter BullGuard nimmt selten an Tests sein, zu gering ist sein Marktanteil. Seine Engine stammt seit Längerem von Avira (Quelle: AV-Comparatives). Dann passte es wohl auch, dass das deutsche IT-Sicherheitsunternehmen BullGuard im November 2020 übernahm. Im Dezember 2020 wurde bekannt, dass NortonLifeLock Avira schluckt. Schon vor der Übernahme kündigte Avira an, einige Business-Produkte wie "Avira Antivirus Pro – Business Edition" einzustellen. Das ist der zweite Besitzerwechsel für Avira in einem Jahr: Zuerst ging das Unternehmen an Investcorp (in Bahrain, östlich von Saudi-Arabien), danach wechselte es zu NortonLifeLock.

NortonLifeLock übernimmt Avast

NortonLifeLock ist weiter auf Einkaufstour und verleibte sich neben Avira nun auch Avast ein – siehe den Artikel "Software-Hammer: Norton übernimmt Avast".

Alle Antiviren-Tools bald gleich gut?

Sind von den AV-Firmen-Zusammenschlüssen Synergieeffekte zu erwarten? Schützen die Antiviren-Tools am Ende alle gleich gut? Wie so häufig bei solchen reißerischen Fragen in Überschriften, ist die Frage mit Nein zu beantworten – zumindest nehme ich das hier an. Doch festzuhalten ist: Wird der Deal final genehmigt, würden etliche ehemalige Konkurrenten zu einem Firmengeflecht gehören. Da auch ein paar Tuning-Tools die Namen der Anbieter tragen, wären demnächst einige Programme miteinander verwandt – sie wären sozusagen Teil einer Software-Familie, die ihre Wurzeln zumindest hinter den Kulissen hat: Avast Free Antivirus, AVG AntiVirus Free, Avast Cleanup, AVG TuneUp, CCleaner, Avira Free Security, Avira System Speedup, Avira Rescue System, BullGuard Antivirus, BullGuard Internet Security, Norton 360. Es gibt auch noch einige Chromium-Forks aus diesem Kosmos: Avast Secure Browser, AVG Secure Browser und CCleaner Browser.
Obgleich die Firmen zunächst weiterhin unabhängig voneinander agieren dürften: Wie es auf dem Antiviren-Markt in einigen Jahren in Sachen Angebotsvielfalt aussieht, steht in den Sternen. Auch, ob dann wie bei Avast und AVG die Erkennungsraten bei den Schutzprodukten ähnlich (respektive zwillingsgleich) sind. Den "Konkurrenz belebt das Geschäft"-Gedanken mag ich eigentlich. Synergieeffekte sind aber ebenfalls gut, sofern sie denn mehr als eine Marketing-Floskel sind. Da ich alle genannten Marken sympathisch finde, würde ich damit hadern, wenn auch nur eines der Produkte des Konglomerats in einigen Jahren das Zeitliche segnet. Bei den TuneUp Utilities erlebten einige Mitarbeiter, wie es ist, von einer Entlassung betroffen zu sein – und Fans der Marke haderten mit dem Niedergang eines Produkts, das in eine andere Richtung entwickelt wurde, als sie sich das wünschten.
Ich hoffe, dass der Antiviren-Markt trotz irgendwie zusammengeschweißter Anbieter bunt und vielfältig bleibt. Stellt sich nur noch die Frage: Bietet Avira Produkte jetzt wirklich noch made in Germany an? Wer als deutscher Nutzer Wert auf Sicherheits-Technologien aus dem eigenen Land legt, kann sicherlich weiter zu Avira greifen. Als Alternative scharrt G Data aber schon mit den Hufen. Und ich frage mich: Wenn es zu Synergien kommt, bedeutet das dann übersetzt einfach nur Gewinnmaximierung? – Dass die Programme also noch aggressiver Reklame einblenden? Oder hat auch der User etwas davon? Der Antiviren-Markt ist jedenfalls hart geworden, denn der Microsoft Defender Antivirus schützt immer besser. Antiviren-Tools heben sich derweil vor allem mit Zusatzfunktionen ab, manche schützen laut Tests aber sogar schlechter als der Defender. Die in diesem Artikel genannten Programme können gut mithalten. Wer den Defender allerdings durch ein Konkurrenzprodukt mit zurückliegender Erkennungsrate ersetzt, schwächt die PC-Abwehr. Aufgrund des Konkurrenzdrucks, den Microsoft den etablierten Sicherheitsunternehmen aufbürdet, werben sie sichtlich gern in ihren Programmen mit Premium-Angeboten – neben Reklame in der Oberfläche buhlen dabei Pop-ups um Aufmerksamkeit. Und auch Tuning-Anwendungen sollen einen Verdienst sichern. Und das, obwohl Systemoptimierung nicht die Hauptkompetenz der Schutzanbieter darstellt. Mein Wunsch ist, dass der Zusammenschluss der Antiviren-Pioniere und des kleineren Anbieters BullGuard in den nächsten Jahren keine sichtbaren Änderungen bei den Kernprodukten nach sich zieht – Verbesserungen sind willkommen, gern unter der Haube im Sinne höherer Erkennungsraten.